Sonntag, 6. Oktober 2013

Kleiner Nachtrag zum Kongress in Berlin...                        ...Hier ich, beim Vortrag in Hörsaal C        Foto: mit freundlicher Genehmigung vom Ausbildungszentrum Laktation und Stillen


Bitte nicht Zufüttern,
ein Stillsong aus Ghana




Text zur Power Point Präsentation am 27.9.2013 auf dem  9. Still- und Laktationskongress
in Berlin

Sonja Liggett-Igelmund

In einem kleinen Dorf in Afrika, genauer gesagt in Ghana, Westafrika, in der Nähe des Voltastausees gibt es ein kleines Krankenhaus. Dort gibt es keinen Arzt.
Es gibt Hebammen, Krankenschwestern und Krankenpfleger.

Am 1.Oktober 2011 bin ich dorthin gereist.
Mein Name ist Sonja Liggett-Igelmund, ich bin Hebamme, 39 Jahre alt, verheiratet, habe zwei Söhne, 13 und 9, bin in einem Kölner Kreißsaal mit einer halben Stelle angestellt und arbeite zusätzlich als Nachsorgehebamme.
2011 habe ich mich beworben, als eine Casting- Agentur eine Hebamme suchte.

Für zehn Tage sollte ich versuchen, ob ich auch in Ghana meinen Beruf ausüben kann. Das war die Idee von der WDR Weltweit-Redaktion. Es wurde eine kleine Serie gedreht. Sie hieß Job im Gepäck, als… Hebamme nach Ghana, als Koch nach Thailand, als Automechaniker nach Argentinien.
Die Autorin Marika Liebsch, die Kamerafrau Beate Werheit und ich flogen gemeinsam nach Ghana.
Ghana liegt in Westafrika, sechs Flugstunden von Frankfurt entfernt. Wenn man sich die Landkarte von Afrika ansieht, denkt man schnell, Ghana wäre ein kleines Land. Aber Ghana ist nur wenig kleiner als Deutschland. Von der Hauptstadt Accra fährt man 4 Stunden bis in das kleine Dorf Have.
Dort angekommen, lernten wir die kleine Krankenstation und die Menschen, die dort leben und arbeiten, kennen.
Patience Tordzro und Annie Darko sind die Hebammen, die dort arbeiten, Joyce Buckle ist Kinderkrankenschwester.

Vor- und Nachsorgen machten wir zusammen; und dem einen Baby, welches in den 10 Tagen hier zur Welt kam, halfen wir gemeinsam auf die Welt.
Der kleine Junge wurde am frühen Mittwochmorgen geboren und wurde Oku genannt, das bedeutet Mittwoch. In Ghana tragen alle ihren Geburtstag im Vornamen. Mein Name dort ist Adjoa, Montag. Später gaben Oku´s Eltern ihm den Rufnamen Bismarck, er sollte nicht vergessen, dass eine Deutsche bei der Geburt dabei war.
Geburten, die wegen Komplikationen nicht in der kleinen Hebammenstation betreut werden können, werden verlegt. Das bedeutet, die Schwangere stellt sich an die Straße und wartet auf eine Mitfahrgelegenheit ins nächste Krankenhaus. Die Fahrt dorthin dauert ca. eine Stunde.

An diesem Mittwoch, später am Tag, während wir die Vorsorgeuntersuchungen mit den Hebammen machten, merkten wir, wie sich die Veranda des nebenstehenden Stationsgebäudes immer mehr mit Müttern und ihren Babies füllte.
Wir waren mitten in den Dreharbeiten, als wir plötzlich Gesang hörten.
Die Frauen auf der Veranda sangen alle zusammen und es klang so faszinierend, dass wir unsere Dreharbeiten sofort auf die Veranda verlegten.
Sowas hatten wir weder je gesehen noch gehört.
Ca. 30 Frauen mit ihren Babies sangen mit Joyce als Vorsängerin in Ewe, dem Dialekt der Volta Region, ein Lied über das Stillen.
Während Beate drehte, stand für Marika schon fest, dass dies die Musik für den Abspann des Films war.
Aber wir waren in Afrika und nicht nur ich arbeitete unter mir fremden Umständen.
Das Material wurde vom afrikanischen Producer nicht gespeichert und somit waren die Aufnahmen aus der Still- und Wiegesprechstunde verloren. Dies wurde aber leider erst zurück in Deutschland festgestellt.

Das war für uns alle sehr schade, denn dieser Moment war einer der Highlights unseres Aufenthaltes.

Ein Jahr später bekamen wir erneut die Chance, das Lied zu drehen.

Da ich nach meiner Rückkehr aus Ghana angefangen hatte, immer mehr Spenden zu sammeln und die Menge auf Containergröße angewachsen war, hatte die Redaktion von WDR Weltweit beschlossen, noch einmal die Reise mit der Kamera zu begleiten.
Marika und mir war klar, dass die Still- und Wiegesprechstunde ganz oben auf unserer Liste der zu drehenden Momente stand.
Es wurde gedreht. Einmal vom Kameramann und zusätzlich von mir mit meiner eigenen Videokamera.
In den zweiten Film hat es das Lied leider wieder nicht geschafft, diesmal aus Platzgründen. Es gab zu viel zu erzählen, in 28 Minuten, da war kein Platz mehr.

Umso mehr freut es mich, dass ich heute hier in Berlin meine Filmaufnahmen vorstellen kann! Aron Roos hat meine Videoaufnahmen geschnitten und so ist daraus ein kleines Amateur-Video geworden.

Still- und Wiegesprechstunde

Man sieht Joyce Buckle, wie sie die Still- und Wiegesprechstunde leitet.
Mütter mit ihren Babies kommen einmal im Monat zur Still- und Wiegesprechstunde.
Das bedeutet, dass es vier verschiedene Gruppen gibt, die jeweils einmal im Monat vorbei kommen. Für diesen einen Tag auf der Veranda der Station machen sich die Frauen sich und ihre Kinder chic.
Sie treffen nicht nur Bekannte, sie bekommen auch Gesundheitsunterricht.
Die Kinder werden gewogen und geimpft.
Impfungen:
Polio (oral)                                                                                     bei Geburt, 6 , 10, 14 Wochen
Diphterie, Pertussis, Tetanus, Hepatitis B, HIB, (i.m.)                                             6 , 10 , 14 Wochen
Vitamin A (oral)                                                                      vom 6. Lebensmonat bis zu 5 Jahren
Masern (s.c. links)                                                                                              9 und 18 Monate
Gelbfieber (i.m. rechts)                                                                                                  9 Monate
Neu:
Pneumokokken (i.m.)                                                                      6, 10, 14 Wochen, 18 Monate
Rotaviren (oral)                                                                                                     6, 10 Wochen

(Eine Typhus, Tollwut, Cholera Impfung und eine Malaria Prophylaxe empfiehlt der Tropenarzt uns zusätzlich bei Reisen nach Ghana)

Die UN kämpft gegen die hohe Kinder- und Müttersterblichkeit in Westafrika

Diese beiden Bereiche sind in den sogenannten Millenniumsentwicklungszielen 4 und 5 der UN-Millenniumkampagne festgeschrieben.

Ein Weg, die hohe Kindersterblichkeit zu bekämpfen ist, Stillen reichlich zu fördern und zu bewerben.
Es ist dort nicht selbstverständlich zu Stillen. Es wird sehr gerne zugefüttert.
Die Empfehlung lautet auch hier 6 Monate voll stillen und darüber hinaus bis zum zweiten Geburtstag des Kindes ergänzend zu Stillen.

In der kleinen Gesundheitsstation in Have, Ghana haben sich die Mitarbeiter überlegt, wie sie den Frauen beibringen können, dass Stillen das Beste für ihr Kind ist.
Viele Frauen können nicht lesen. Ein Lied mit einem einfachen Text und einer eingängigen Melodie, jedes Mal in der Sprechstunde gemeinsam gesungen, können sich aber alle Mütter merken.
Godsway Delima schrieb den Text für den Stillsong. Die Melodie dazu ist von einem alten Ewe Song übernommen worden. Wobei Sie gleich merken werden, dass die Melodie für uns auch sehr bekannt ist! Man hofft, dadurch als Babyfreundlich, vom Ghana Healthservice ausgezeichnet zu werden.

                                
Das Lied heißt:
“Notsi Nana”

Stillen, ohne Zufüttern
                 ist gut für Mutter und Kind.   (Refrain)

Notsi Nana tsimatoe la
Enyona vi kple dada
(Notsi : Brustwasser, Nana : geben, tsimatoe la: ohne Wasser  zuzugeben, Enyona : ist gut für, vi:Baby, kple: und, dada: Mutter)

1) Es gibt dem Kind alle Nährstoffe
und Schütz vor Brustkrankheiten.

2) Es hilft dem Kind gut zu wachsen
und dient der Familienplanung.

3) Es läßt das Kind gesund bleiben
und hilft der Mutter Geld zu sparen.

4) Es fördert das Gehirnwachstum des Babys
und baut eine starke Bindung zwischen Mutter und Kind.

                               Der Film ist bei You Tube zu sehen, unter Notsi Nana

Aus unserer Sicht scheint es überraschend, dass das Stillen in Ghana beworben werden muss, wo man doch denkt, dort sei es das Natürlichste auf der Welt.
Frauen stillen dort selbstverständlich in der Öffentlichkeit, ganz im Gegensatz zu Deutschland.

Aber ghanaische Frauen wissen genau, dass in Europa Babies das Fläschchen bekommen.
Und das muss ja wohl, so denken sie,  das Beste für ein Baby sein. Sie wollen es uns gleich tun. Wir sind das Vorbild.

Wenn  Sie hier in Deutschland eine Nachsorge beispielsweise bei einer Asylbewerberin aus Afrika machen, ist Ihnen vielleicht schon aufgefallen, dass ihre Patientin sehr gerne zufüttert, oder sogar gar nicht Stillt. Wenn sie schon in Europa ist, dann will sie nur „das Beste“ / modernste für Ihr Kind.

Das Zufüttern von Wasser oder Milchähnlichen Flüssigkeiten hat für Säuglinge in den Tropen nicht selten gesundheitliche Probleme zur Folge. Der Nestschutz wird gestört, das Wasser könnte stark keimbelastet sein. Krankheiten wie Durchfall können für Kinder in Ghana schnell fatale Folgen haben.

Vielleicht könnten wir die Arbeit der ghanaischen Hebammen unterstützen, indem wir mehr Bildmaterial von europäischen Stillenden zur Verfügung stellen?
Damit würden auch wir den Vereinten Nationen helfen eines der Milleniumsziele zu verwirklichen, die Säuglingssterblichkeit in West Afrika zu verringern.

Ganz im Sinne des Mottos dieses 9. Still- und Laktationskongress:
Stillen - wie natürlich wieder selbstverständlich wird.
Weitere Informationen finden Sie im Internet:


oder googeln Sie:

„Job im Gepäck, als Hebamme nach Ghana“ (2011)
„200 Kisten für Ghana“ (2012)
beide  Filme von Marika Liebsch, Erstausstrahlung bei WDR Weltweit


Im Blog finden Sie das Hilfsprojekt, das aus dem ersten Film entstanden ist, zum Beispiel ist jetzt, in diesem Moment, ein Krankenwagen in einem Seecontainer Richtung Ghana unterwegs.

Am 10.Dezember wird bei WDR Weltweit ein neuer Film über Ghana zu sehen sein.
Marika Liebsch begleitet uns im November erneut nach Ghana, wenn wir den Krankenwagen vom Hafen nach Have fahren.

Der Krankenwagen wurde aus Spenden finanziert, ich freue mich über jede Unterstützung.
Das Spendenkonto ist im Blog angegeben.

Wenn Sie Interesse haben, selber dorthin zu reisen, dann informieren Sie sich über die „Hebammen Tour“ bei RGV. Für die Hebammen vor Ort bietet diese Form des Tourismus eine Möglichkeit sich mit Kolleginnen auszutauschen. Außerdem bietet der Aufenthalt von Touristen dem Dorf Verdienstmöglichkeiten.
http://www.rainbowgardenvillage.com/de/hebammen-tour-ghana

                                     


                                       

Vielen Dank für eine Sammlung an Holzhörrohren der Firma Kurz.
Wie in jedem Jahr werden wir von Euch großzügig unterstützt. 
Vielen Dank!!!!

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