Neuer Tag - neues Glück
Am Mittwoch den 19. März hat ein neuer kleiner Junge in Hohoe das Licht der Welt erblickt. Ich durfte die Geburt leiten. Geburtsleistung und Geburt hat die Frau selber gemacht. Ich versuche die Formulierung extrem zu vermeiden, dass ich "Jemandem auf die Welt geholt hätte". Hab ich nicht. Dennoch habe ich hier eine gewisse Leistung erbracht. Zunächst muss man sagen, dass mich die Hebammen heute wesentlich interessierter beobachtet haben. Das führt aber leider dazu, dass viele von ihnen am Fussende standen. Das ist für Unsereins so inakzeptabel, dass es sehr schwer ist, nicht die Kölner Gangart einzuschalten und alle rauszuschmeissen. Andere Länder, andere Sitten und hier musste ich durch. Wenigstens können sie vom Zugucken was lernen.
Wie hätte dieser Lernerfolg aussehen können bzw was konnten die Hebammen erstmalig sehen?
Eine Geburt mit Glückshaube (völlig unbekannt in diesem KKH)
Das Baby wird der Mutter nicht auf den Bauch geklatscht ( siehe Hebammenausbildung Wuppertal 1995) ( oder Ghana heute)
Die Mutter nimmt ihr Baby selber zu sich. (ein Novum)
Das Baby liegt im HK nach der Geburt UND ist warm zugedeckt (Cave Klimaanlage)
Das Baby saugt von alleine (Breastcrawl) an der Brust. (ein Novum)
Das Baby wird erst nach einer Stunde gewogen etc. (ein Novum)
Die Plazenta wird durch aktives Pressen der Mutter geboren, kein Ziehen an der Nabelschnur, kein händischen Ausräumen der Vagina nach Plazentageburt. (ein Novum)
Baby-, Mutter- und Bindungsfreundliche Geburtshilfe gab es 1995 in Deutschland höchstens bei Haus- oder Geburtshausgeburten. Heute ist das weiterverbreitet, zwar in Teilen noch ausbaufähig, aber schon viel viel besser. In Ghana wird Ungeduld praktiziert. Die Ungeduld provoziert Pathologie. Und diese wieder in den Griff bekommen? Da liegt das Problem! Dazu fehlen Kenntnisse und Mittel. Daher ist die Morbidität hoch!
Sonjas Erfahrungen, die sie Nebenan sammelt, auf der sogenannten Kinderintensivstation sind ähnlich. Hohoe ist nur ein Krankenhaus in Ghana. Ich möchte nicht auf das ganze Land schließen, aber in Hohoe ist die Hebammenschule der Region!!!
Stolz bin ich aber doch sehr auf die beiden Mütter und auf ihre beiden Söhne! Die Eltern vom kleinen Dienstag wollen unbedingt, dass ich den Vornamen aussuche. Christlich solle er sein. Puh, ich will dem Kleinen ja keine Bürde mit auf den Lebensweg geben, also schreibe ich verschiedene Namensvarianten auf, die etwas mit mir und meinen Söhnen zu tun haben. Am Ende gefällt der Mutter der name Nicolas sehr gut. (Grüße an Nils)
Eine sehr persönliche Anmerkung
Während mir in Ghana das kleine neue Leben in die Hände geboren wird, fällt meine Mutter Zuhause in Köln in ein Koma, ausgelöst durch die unbekannte und unerforschte Krankheit PLS. ALS kennt man mittlerweile. Eine biestige Krankheit ohne Heilung. PLS ist noch seltener und dadurch sogar kaum diagnostizierbar und auch nach der Diagnose tappen Ärzte im Dunkeln. Angehörige leider auch. Ich wäre nicht nach Ghana gereist, wenn ich anständig informiert gewesen wäre. Bei meiner Abreise war alles im Griff und für den Moment stabil. Meine Mutter wollte sogar, dass ich fahre! Wie dünn das Eis war, war leider keinem Neurologen klar. Die Schmerzen wurden so stark (bei stationärem Aufenthalt!!!) dass das Gehirn meiner Mutter den Notausgang wählte und bei ihr nannte sich das dann Status Epileptikus. Diese Information erreicht mich an diesem Tag auf dem Weg von Hohoe nach Have. Am Abend ist klar, dass es mein letzter Abend in Ghana ist und ich am nächsten Abend den nächsten Flieger nach Deutschland nehmen muss, in der Hoffnung, noch gerade rechtzeitig zurück zu sein.
Aber im Krankenhaus in Hohoe weiß ich in diesem Moment noch NICHTS und so freue ich mich sehr auf die Begegnung mit unserem Langzeit-Sorgenkind Wonder, der hier gleich zur Physiotherapie kommt.
Jude ist ein toller Physiotherapeut. Er würde sich so sehr über Kollegenbesuch aus Deutschland freuen! Vielleicht interessiert sich ja irgendwann mal Jemand?Wonder geht es gut, wir gehen nach dem Termin noch Schuhe und Essensvorräte für ihn kaufen.
Danke an Alle Mitglieder von Meeting Bismarck e.V. für Eure kontinuierliche Unterstützung, denn so wird all das hier erst möglich!