Dienstag, 3. Dezember 2024

Rollstühle
Samstag, 26.10, 


Ihr habt vielleicht in einem vorherigen Blogbeitrag die Kinder gesehen, die Mittwochs zur Physiotherapie fahren. Eines dieser Kinder ist Princess. Sie hat bisher keinen Rollstuhl. Patience hat einen besorgt und Lennart, Derrick, Desmond und Debbie helfen bei der Auslieferung. Zuerst brauchen wir Hilfe, um überhaupt ihr Zuhause zu finden. 


Als wir Princess gefunden haben, werden wir von der ganzen Familie beobachtet, 
aber nur solange, bis der Rollstuhl ausprobiert wird. 
Denn dann beobachten wir!







Ein Ziel ist es, das Princess die Schule besucht. Es ist schon sehr schlimm zu wissen, dass das bisher nie passiert ist. Die Eltern haben ihre drei Kinder bei der Großmutter untergebracht und arbeiten selber in Accra. Die betagte Dame schafft es natürlich nicht, Princess umherzutragen. Die Nachbarschaft ist aber recht hilfsbereit, muss man sagen. Es ist eine Nachbarin, die Mittwochs hilft, Princess zur Physiotherapie zu bringen. Erst im Februar hatte man meinem Mann und Patience Princess vorgestellt und um Hilfe gebeten. Bis dahin hatte sie das Haus nie verlassen. Natürlich hat die Physiotherapie in so kurzer zeit keine Wunder vollbracht und es wird vielleicht Jahre dauern, bis sie ihre Hände besser gebrauchen kann, aber dies zu versuchen lohnt sich doch! Der Rollstuhl hat recht kleine Hinterreifen. Ich bin der Meinung, dass er im Haus gute Dienste leisten wird, aber vielleicht nicht auf dem Weg zur Schule. Ich werde mich mal umsehen, nach einem Rollstuhl mit größeren Reifen. 


Der Weg zurück ist wunderschön. Have ist so ein schöner Ort und immer zwischen 
17:00 und 18:00 Uhr taucht die untergehende Sonne den Ort in tollstes Licht!





Der Weg führt vorbei am "Candlelight Retreat"
In diesem Guesthouse haben wir in der Vergangenheit öfters gewohnt. Wir klopfen an und grüßen. Der Erbauer und Besitzer, Sir Senyo erkennt mich natürlich sofort. Leider hatte er einen Schlaganfall und er sitzt im Rollstuhl. Es ist aber eigentlich nur ein Toilettenstuhl und der ist wirklich klapprig. Aus alter Verbundenheit verspreche ich,  nach einem besseren Modell zu suchen. Mehr kann ich leider nicht tun. Allerdings buche ich hier die Zimmer für die bald anreisenden Hebammen. 



Zurück Zuhause verbringen wir Zeit mit "der Familie" 
Jetzt ein paar Impressionen, vom Leben am Haus:



Am Morgen gab es eine großangelegte Putzaktion in unserem Haus und jetzt ist es auch so aufgeräumt, dass Ihr Mal einen Blick hinein werfen könnt.




Wenn Annie nicht da ist, kann man durchaus auch selber kochen. 


Am Abend sind wir bei Kafui eingeladen, denn er hat ein Treffen mit Mispah arrangiert. Sie hatte letztes Jahr den ersten Platz beim Literaturwettbewerb verdient bzw. gewonnen.
Es ist schön sie wieder zu sehen. Es geht Ihr gut und sie ist weiterhin eine sehr gute Schülerin!


Am Abend hat Annie Groundnutsoup gemacht und wir laden am Haus alle auf ein Getränk ein, auch als Dankeschön für die Hilfe bei der Auslieferung des Rollstuhls. 


Mein kleines mobiles W-Lan Gerät funktioniert zum Glück hervorragend! Da hier in Ghana alle Kommunikation über WhattsApp läuft, ist guter Empfang so wichtig. 



Good night and thank you for the day!

Frauengesundheit
25.10,


Patience und ich fahren nach Ve. Dort treffen wir den District Director des  Ghana Health Service des Bezirks, Mr. Christopher.

Er präsentiert mir stolz die Auszeichnung, 
die er und sein Team für letztes Jahr erhalten haben.
Weiter unten ist ein Foto, zoomt gerne mal rein!

Wir sprechen über den anstehenden Besuch der vier Hebammen aus Deutschland und welche Themen er ihnen vorstellen könnte.

Eine kleine Führung durch das Gebäude bekomme ich auch, denn wir haben mit Spendengeld bei der Instandsetzung einiger Büros geholfen. Alle Mitarbeiter müssen an PCs arbeiten und das Klima mit seinem Staub ist ein großes Problem für die Haltbarkeit der Geräte.
Deshalb wurde z.B. der Boden gefliest, um besser saubermachen zu können...

Ich darf auch noch eine Auszeichnung überreichen und da habe ich mich schon sehr drauf gefreut!

Die Urkunde der UNESCO über die Anerkennung des Hebammenhandwerks als
 immaterielles Weltkulturerbe der Menschheit. 

Zwar war Ghana nicht bei den 7 Ländern dabei, die den Antrag bei der UNESCO eingereicht haben, aber die Auszeichnung ist ja für absolut alle Hebammen auf der Welt gedacht.
Christopher versteht sofort die Bedeutung und er googelt los!
Er findet die Urkunde und die dazu gehörige Präsentation. 
Er ist der Meinung, dass die Hebammen in seinem District davon hören müssen. 
Er hat auch in der Zwischenzeit bereits einen Workshop dazu abgehalten. 
Das Ziel ist es, den Hebammen mit Rückendeckung durch die UNESCO, die Wichtigkeit ihres Berufsstandes deutlich vor Augen zu führen. 
Wie groß ihr Einfluß auf die Gesundheit von Frauen, Kindern und Familien ist,
wird weltweit gesehen. Hebammen sind wichtig und mit diesem Bewußtsein sollen sie ihre Arbeit machen. 
Frauengesundheit schützen und Frauen durch gute Geburtserlebnisse empowern, das sind Ziele weltweit. In Ghana anders als in Deutschland (z.B.).

Deutschland hat ganz andere Probleme, als Ghana, um diese Ziele umzusetzen. In beiden Ländern wären diese Probleme eigentlich lösbar. Eigentlich. 
In Ghana ist eines der Probleme das Kreißbett. Weiter unten seht ihr das Bett, welches in Ve genutzt wird. Solche Betten sind in Ghana überall zu finden und ihr werdet in ein paar Tagen hier im Blog sehen, wie die Hebammenschülerinnen nur an solchen Betten ausgebildet werden. Die Selbstbestimmung, die Intimsphäre, die Bewegungsfreiheit und die Würde muss man bei so einem Gestell Draußen abgeben......

Es bleibt viel zu tun. 




Nach diesem Termin fahren wir weiter nach Hohoe, die Straße ist teilweise nicht vorhanden, aber hier und da wird gebaut. 


In Hohoe treffen wir Emanuel Pewudie, den Repräsentanten von Mama Care, unserer Partner Organisation in Ghana.

Das Treffen ist ein Kondolenzbesuch. 

Am Haus hängen noch die Plakate, die die Beerdigung vor zwei Monaten bekannt gegeben haben. 

Die Mutter von drei Söhnen hatte Anfang des Jahres Husten. Es stellte sich nach längerer Suche heraus, dass der Husten von Metastasen verursacht wird. Metastasen eines unentdeckten Brustkrebs. Diese Krebsart betrifft in Ghana auch so viele Frauen. Oft wird er viel zu spät entdeckt. Wenn er entdeckt wird, dann gibt es aber auch Familien, die sich die Behandlung nicht leisten können. Auf dem Weg zurück nach Have, erzählt mir Patience noch ein paar Schicksale.  




Der Rückweg dauert ca. 90 Minuten. Abgesehen von Patience Erzählungen sind wir still.
Der dreifache Vater hat uns die letzten Wochen und Tage seiner Frau so genau beschrieben, 
dass die Worte noch lange nachwirken. 




Aus dem Leben eines Huhns
Teil 3


Lautes Gezeter eines Huhns scheucht am Morgen Alle auf. Mama Sarah entdeckt sofort, warum das Huhn um sein Leben keift. Eine Schlange will es angreifen. Mit einem sehr langen Stock haut Mama Sarah die Schlange gezielt und schnell kaputt, trägt sie zum Hof hinaus und - um sicher zu gehen- zündet sie sie auch noch an. Die Ruhe am Haus ist wieder hergestellt und mir wird gesagt, wie gut es sei, sich den Hof mit Hühnern zu teilen.
Und das war das.



Montag, 2. Dezember 2024

Müttersterblichkeit
24.10,


Madam Florence hat Sarah und mich nach Ho eingeladen, um an einem Workshop zum Thema Müttersterblichkeit teilzunehmen.  Mit uns sind andere "Stakeholders" eingeladen, die alle gerne ihren Teil dazu beitragen wollen, die Müttersterblichkeit zu senken. 

In der ersten Reihe und in erster Linie, werden hier die Queen Mothers der Region adressiert. Sie sind diejenigen, die Aufklärung in ihre Communities transportieren sollen. Ihr seht die traditionelle Kleidung und sogar die traditionelle Begleitung, mit der sie erscheinen. Teile des Workshops, werden ihnen zu Ehren bzw. um der Kultur Rechnung zu tragen, in Ewe abgehalten. 

In einer Powerpoint Präsentation wird das schwere Thema erklärt. Zu meiner Überraschung geht es Hauptsächlich um Abtreibungen. Ich hatte eher mit Blutverlust, Infektionen und der sog. Schwangerschaftsvergiftung gerechnet. 

Aber leider geht es um illegale Abtreibungen, die im Verborgenen unsauber durchgeführt werden und die den Tod meist junger Frauen verursachen. Offiziell sind Abtreibungen in Ghana verboten, aber es gibt Ausnahmen. Solche Ausnahmen werden auch in Ghana von Qualifizierten in medizinischen Einrichtungen vorgenommen. Dies wird aber nicht von der Bevölkerung als Option wahrgenommen. Genau das ist die Aufgabe der Queen Mothers, diese Option den Gemeinden nahezulegen. 

Es ist vollkommen klar, dass natürlich eine bessere Aufklärung die ein oder andere Teenager-Schwangerschaft verhindern könnte. Leider klären Familien die Kinder aber nicht auf. Kommt es zu einer Schwangerschaft droht manchem Mädchen aber die Vertreibung durch die Familie. Ein Desaster.

Das Buch "Frühlings Erwachen" (Untertitel " Eine Kindertragödie") von 1891 von Frank Wedekind ist jetzt, Einhundertdreiunddreißig Jahre später, in Ghana aktuell. All die gesellschaftlichen Konventionen, die damals in Deutschland Mädchen zum Verhängnis wurden sind in Ghana Realität. Weder in Deutschland, noch in Ghana lassen sich Traditionen und Gesellschaften schnell ändern und solche Änderungen dauern immer viel zu lange. Und so sitzt man in diesem Workshop und möchte verzweifeln. Aber der Ghana Health Service ist so ambitioniert und möchte so gerne so gründlich für Aufklärung sorgen, dass man die Hoffnung haben kann, dass es schneller geht, als in Deutschland. Was kann ich tun? Wir haben ja schon ein Binden-Nähprojekt angestoßen und damit einher, geht bereits eine niederschwellige Aufklärung. 

In der Abschlussrunde äußern sich alle Anwesenden zu den Aktionen, die sie ergreifen können und ich verspreche, am Binden-Nähprojekt dran zu bleiben. 




Sarah trägt passenderweise ihr Smartgirl-Dress. Hier ein Link zur ersten Verteilaktion der Smartgirl-Päckchen:



Der Weg im Taxi zurück nach Have (Michael fährt Heute nach Accra, Richtung Flughafen) ist unglaublich anstrengend. Das Auto hat kaum Federung und dem Fahrer gelingt auch nicht, die Schlaglöcher zu Umfahren. Sarah und ich sind nach diesem Tag völlig platt. Allerdings eher, wegen dem Inhalt des Workshops. 

Auf der Terrasse in Have warten Bismarcks Eltern und sein jüngster Bruder auf mich. Sie möchten sich dafür bedanken, dass Bismarck jetzt in die Schule in Akosombo geht und bei Patience wohnen darf. Zuhause hatte er zu viel Ablenkung und die Hoffnung, dass er eine richtig gute Schulausbildung bekommt und später sich und seine Familie, durch einen guten Beruf, versorgen kann, ist groß. Deshalb finanzieren wir sehr gerne die teure Schule. 


Während Lennart, Paul und ich in Have Fufu zum Abendessen bekommen, sitzen Katrin und Familie in der kühlen Luft der Abflughalle in Accra, um wieder in die europäische Realität und den Schulalltag zurück zu fliegen und Herr Holzum erkundet noch ein paar Tage Accra; unterdessen geht am Hebammenhaus die Sonne unter und - Ihr kennt das schon - die Hühner flattern in ihren Mangobaum...