Montag, 23. Dezember 2024

Ho Ho Ho 

Am 23. Dezember 2024 sitze ich für Euch am Blogbeitrag über unseren Tag in Ho 
und da muss so eine Überschrift einfach sein!
Als ich vor einigen Wochen im Teaching Hospital in Ho bei Dr. Mbroh nachfragte, ob ich mit vier Hebammen zu Besuch kommen dürfe, da fragte er sofort, ob wir einen Workshop für die Kreißsaalhebammen zum Thema Gebärpositionen machen könnten. 
Diese Einladung habe ich sofort angenommen, denn es ist Dr Mbroh ein großes Anliegen, dass sein Team auch alternative Gebärpositionen anbietet und wenn wir da halfen können, dann unterstützen wir das sehr gerne!


 Die erste Aktion in Ho ist aber ein Matratzenkauf. Um Gebärpositionen vorzuturnen, ohne das alle Hebammen sagen, dass sei zu unbequem, brauche ich genau so eine dicke, riesen Matratze.



Michael ist auf Übergrößen vorbereitet.
Er hat immer ein Seil zur Hand, um Dinge auf dem Dach festzuschnallen.



Wir erreichen das Krankenhaus und werden sehr herzlich von Dr. Mbroh und seinem Team empfangen.


Auf dem Tisch seht Ihr Geschenke zur Nutzung im Kreißsaal. Danke an Euch Vier fürs Sammeln!

Jetzt wird ausprobiert, wo wir die Matratze platzieren, damit möglichst viele Zugucken können.Die Wahl fällt auf den Eingangsbereich. 



Für alle Hebammen ist Rückenschonendes Arbeiten wichtig. Immerhin muss der Rücken ein Leben lang halten. Nicht jede Gebärposition ermöglicht Rückenschonendes arbeiten. 
Allerdings können Geburten auch großen Streß auslösen und dieser verursacht bei manchen schon von alleine Rückenschmerzen. Wie kann ich also Streß bei Geburten reduzieren und gleichzeitig auf eine gute Arbeitshaltung achte? Dieser Frage gehen wir unter Anderem Heute nach. 

Zunächst frage ich in die Runde, in welcher Position Ziegen ihre Kinder bekommen. Um die Frage zu untermauern, lege ich mich auf die Matratze und strecke alle Viere in die Luft. Das sieht natürlich lustig aus, aber das wollte ich ja so, um die Aufmerksamkeit zu haben. Natürlich legt sich die Ziege nicht auf den Rücken! Ich frage noch nach der Kuh und nach dem Pferd und lege mich nochmal demonstrativ auf den Rücken und strecke wieder die Beine in die Luft. Natürlich wissen Alle, dass in der Tierwelt nicht auf dem Rücken gelegen wird. 
Was nutzen denn die Tiere? Welche physikalische Kraft hilft beim Herausdrücken des Kindes, dass die Mutter nicht mehr pressen muss, als nötig?  Die Schwerkraft!
Liegt die Mutter ( jetzt bin ich nicht mehr in der Tierwelt..) auf dem Rücken, dann muss sie das Köpfchen - entgegen der Schwerkraft - Bergauf drücken. Physiologischer bzw anatomisch einfacher ist es hingegen, wenn sie auf allen Vieren ist und die Schwerkraft mithilft. 
Wie kann ich denn rückenschonend den Vierfßülerstand als Hebamme begleiten? 
Genau dazu brauche ich die herrlich dicke Matratze! Da kann ich schön an der Bettkante sitzen und arbeiten. Wir probieren ein paar Geburten durch. 
Eine Arbeitsfläche, auf der das Baby sicher landen kann ist wichtig. Ihr erinnert Euch an das Foto aus dem Skillslab in der Hebammenschule in Hohoe? Da lag die Puppe breitbeinig auf dem Gynstuhl. Wird ein Baby geboren und unter dem Po der Mutter ist kein Bett mehr, dann muss die Hebamme wahnsinnig aufpassen, dass ihr das Kind nicht runterfällt. Das löst Stress aus und den wollen wir vermeiden. Nicht nur sind Babys glitschig, manchmal bringen sie auch eine listige Nabelschnur mit!
Manche Kinder legen sich die Nabelschnur um den Hals. Bismarck, damals vor 13 Jahren hatte sich die Nabelschnur drei Mal um den Hals gelegt. Während man dann abwickelt ist es besser, wenn das Kind auf der Matratze liegt. Die Hebamme muss ja wahnsinnig schnell die Nabelschnur abwickeln, denn sie soll auf gar keinen Fall den ersten Atemzug stören und der erfolgt ja quasi direkt mit der Geburt des Rumpfes. 
Kompliziert! 
Auf der einen Seite soll mir die Schwerkraft helfen, dass das Köpfchen leichter geboren wird, auf der anderen Seite ist die Schwerkraft tückisch, wenn mir das Kind auf den Fußboden fallen kann,. 
Jetzt muss man wissen, dass in Ghana die meisten Kinder auf einem Gynstuhl geboren werden und die Hebammen sehr wohl in der Lage sind, die Kinder vom Fallen abzuhalten. 
Aber heute geht es ja um stressfreieres Arbeiten und da gehören alternative Gebärhaltungen dazu, dann die Anatomie erlaubt nicht immer Geburten auf dem Rücken und dann muss ich verschiedene Positionen ausprobieren können. 

Wie begrüßt die Mutter das Kind? In meiner Hebammenausbildung in Wuppertal wurde das Kind unmittelbar nach der Geburt der Mutter auf den Bauch geklatscht. Zack - Bitteschön - jetzt freuen Sie sich! 
Die Mütter hatten gar keine Gelegenheit in Ruhe ihr Kind zu Begrüßen. Es herrschte Abnabelungshektik bei der Hebammenschülerin und die Plazenta musste dann auch blitzschnell raus. Alles zack zack, aber plötzlich! Schön war das nicht. Ich glaube keine aus meinem Kurs "68" hat in ihrem späteren Berufsleben solche Powerpressgeburten praktiziert! 68er - was für ein bedeutender Name, das fällt mir ja jetzt erst auf! Kurs 68 bedeutet, dass man in Wuppertal 1927 den ersten Kurs gestartet hat! Das war dann noch im Gebärsaal, da wo Vorhänge die Gebärpritschen von einander trennten. Nicht nur die 68er haben ihre Arbeitsweise modernisiert. Bis heute versuchen Hebammen aus der Entbindung dann eine Bindungssituation für Mutter Kind und Partner/Partnerin zu machen.
Das ist in Deutschland ein anhaltender Prozess. 

Wie kann denn die Geburt ein Bindungsmoment sein - anstatt ein Entbindungsmoment bleiben?
Das erkläre ich gleich...



Erst möchte ich noch dieses Gestell zeigen. Hierauf soll der Vierfüßlerstand praktiziert werden. Natürlich hat die Hebamme hier eine unmögliche Arbeitshaltung und deshalb wird es auch nicht genutzt. 


Auch das Gestell zur Hockergeburt ist gut gemeint, aber es gibt keinen Arbeitsbereich davor, in dem die Hebamme eine gute Position einnehmen könnte. Auch dieses Gestell wird nicht genutzt. 


Der Gynstuhl wird genutzt. Da kann man bequem davor stehen, als Hebamme. Problem: Das Kind kann runterfallen, man muss der Mutter das Kind sofort auf den Bauch klatschen und keine alternativen Positionen sind möglich. Intimsphäre, die das wichtige Hormon Oxytocin fördert, ist auch nicht vorhanden. Also schwierig.


Mit größtem Interesse gehen die Hebammen aus Ho mit uns Hebammen in die Gruppenarbeit. Es gibt im Kreißsaal Betten die alternative Positionen möglich machen. Alle probieren viel aus und viele imaginäre Preßwehen werden verarbeitet! 



Auch gespielte Geburten machen glücklich, dass seht Ihr hier deutlich!

Wie begrüßt eine Mutter Ihr Kind?

Egal aus welcher Position eine Frau ihr Kind aus sich heraus gedrückt hat, erstmal liegt das Baby da. Es braucht einen Wimpernschlag, bis die Mutter realisiert, dass sie die Geburt geschafft hat und dann wird sie ihr Kind sehen wollen. Sie richten sich auf, zum Beispiel, wenn sie in Seitenlage geboren hat. 

Das Team drumherum stört diesen Moment nicht. Es ist die Stimme der Mutter, die das Kind als erstes hören soll. Man gibt als Hebamme der Begrüßung Raum und Zeit. Das Kind legt man dazu vielleicht direkt auf ein frisches Handtuch im Kreißbett. (oder unterhalb des Gebärhockers)  Das kann schonmal nötig sein, wenn da ein größerer Schwapp Fruchtwasser mit dem Kind geboren wurde. Das Kind liegt dann nicht in einer Pfütze. Mütter brauchen Zeit für die Begrüßung. Wenn wir abwarten, wie die Mutter ihr Kind begrüßt, dann werden wir immer miterleben, wie sie mit hoher Stimme ihr Kind anspricht. 

"Da bist Du ja" 

Nach den ersten Worten wird die Mutter ihr Kind vielleicht ganz zart und vorsichtig mit den Fingerspitzen berühren. Beinahe so, als könnte das Kind garnicht real sein. Die Mutter tastet sich heran. 

Diese Zartheit ist immer wunderschön anzusehen, folgt dieser Moment doch dem wuchtigen Moment der Geburt! Nachdem die Mutter ihr Kind ganz langsam begreift, will sie es auch aufnehmen bzw ergreifen. Fast alle Mütter fragen dann die Hebamme, ob sie es nehmen dürfen. Das wird von uns Hebammen freudestrahlend bejaht und dann nimmt die Mutter ihr Kind zu sich auf die Brust, ans Herz. 

Es kann auch Mal lange 5 Minuten dauern, bis Mütter ihr Kind aufnehmen. Dann ist es gut, wenn der Kreißsaal warm ist, sonst wird es dem Baby kalt. Die Zeit zum Begreifen und dann Ergreifen ist der erste Bindungsmomet. Nach der Entbindung kommt die Bindung. Das absolute Fundament für die Familie. Als Hebamme bin ich hier diejenige, die diesen Prozess ermöglicht - einfach durch Zurückhaltung. 

Um das Abnabeln oder die Plazenta muss ich mir hierbei erstmal keine Gedanken machen. Die Natur kommt erst nach 30 Minuten regulär wieder ins Spiel. Dann drückt es der Mutter plötzlich und mit sanftem Schieben erscheint dann auch die Plazenta. Es reicht, wenn die Nabelschnur dann durchtrennt wird, denn der Sauerstoff und Blutaustausch sind dann wirklich absolut vorbei. Das bedeutet, dass die Natur der Mutter 30 Minuten Zeit gibt, ihr Kind zu Begrüßen. Intuitiv legen Mütter ihr Kind an die Brust. Nach den ersten 30 Minuten nach der Geburt entwickelt das Kind den allergrößten und besten Saugreflex und das erste Stillen ist immer einfach. Durch das Stillen  bzw. das Saugen an der Brust schüttet der Körper der Mutter Hormone aus, die den Blutverlust verringern, da sie die Kontraktion der Gebärmutter unterstützen.

Jede Hebamme kennt Situationen, in denen diese beschriebene Ruhe nicht gegeben ist. Natürlich kann es Situationen geben, die ein Handeln bzw Eingreifen erfordern. "Kann" nicht "Muss". Die Menschheit wäre direkt nach ihrer Erfindung ausgestorben, wenn es eingreifende Geburtshelfer bei jeder Geburt gebracht hätte. Das muss man sich immer wieder in Erinnerung rufen. Geburt ist ein natürlicher Prozess, der aufs Funktionieren ausgelegt ist. Das Geburtspersonal passt lediglich auf, ob Alles nach Plan läuft.  Läuft es nicht nach Plan, sind wir zur Stelle.

Eine Frau hat die Kraft ein Kind auf die Welt zu bringen. Hat sie ein Team um sich herum, das sie darin unterstützt, dann kann die Geburt und die Geburtsleistung zu einem empowernden Moment im Leben dieser Frau werden. Frauen empowern, das findet auch die UNESCO gut. Hebammenhandwerk ist gekonntes Zurückhalten, wenn möglich. 

Eine gute, gesunde Geburt ist für die Mutter und das Kind die Basis für die Gesundheit. im weiteren Leben. Das ist das Ziel von guter Geburtshilfe. 

In Ho durften wird darüber sprechen, ausprobieren und üben. Für alle Beteiligten war das ein toller Tag. Vielen Dank, dass wir uns mit Euch so rege austauschen durften und - ja - natürlich gehört die Urkunde von der UNESCO zur Aufnahme des Hebammenhandwerks weltweit auf die Liste des immateriellen Weltkulturerbe der Menschheit ,mit aufs Gruppenfoto!!!!!




Wir verabschieden uns aus dem Kreißsaal mit einem Blick auf die MitarbeiterInnen des Jahres!


Sehr deutsch, aber das sind wir nunmal, feiern wir den erfolgreichen Workshop: mit einem Eis!
Ich bedanke ich mich bei meinen Mitstreiterinnen. Ihr habt heute mit Eurer Berufserfahrung den Workshop für die Ghanaerinnen so wertvoll gemacht! Mit vielen Jahren Erfahrung hat man einfach ein anderes Standing im Kreißsaal und das haben die Hebammen gespürt. Es wirkt, wenn man sagen kann, dass man in 40 Jahren diese oder jene Komplikation nur einmal erlebt hat! 


Kennt Ihr den Stillsong Notsi Nana (unter diesem Titel bei YouTube)? Die Sängerin heißt Joy und für einen ganz kurzen Moment können wir uns mit ihr Treffen! Joy war auch diejenige, die 2011 meinen Koffer auf ihren Kopf gewuchtet bekommen hat...im WDR.....
Vielleicht erkennt Ihr sie wieder :)


An anderer Stelle habe ich schon von der Citation für Dr. Letsa berichtet.Um ein bisschen die zeitliche Abfolge zu zeigen, sei hier erwähnt, dass ich heute die Citation bestellt hatte und heute Abend im Copyshop in Ho abhole und noch überreiche. Bestellung und Übermittlung: Alles über WhatsApp.

Es geht zurück nach Have und wir haben das Glück, dass wir genau zum Sonnenuntergang den Gipfel nach Kpeve erreichen. Natürlich müssen wir aussteigen und den Moment festhalten. 






Mama Annie empfängt uns mit leckerer Yampizza. Die schmeckt richtig gut. Mama Pat ist auch nach Have gekommen und sie hat uns die bestellten Schürzen von Jennifer mitgebracht! Richtig toll!








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